Überaus umstritten in der Geschichtswissenschaft ist die Frage, ab wann man von einem deutschen Volk sprechen kann. Mit Sicherheit können die antiken Germanenstämme nicht als Deutsche oder als Vorläufer eben jener bezeichnet werden. Anders als Caesar in seinem Gallischen Krieg aus propagandistischen Absichten beschrieb, waren die Germanen kein einzelnes Volk, sondern eine Vielzahl von Stämmen jenseits des Rheins, die nur wenige Gemeinsamkeiten verbanden. Hinzu kam, dass es in der Antike zu einem regen kulturellen und sozialen Austausch zwischen den Germanen und den grenznahen Römern und Galliern kam. Über die Rolle und den Kontakt zu den Slawen östlich der Oder weiß man hingegen sehr wenig. Es ist aber durchaus anzunehmen, dass es auch hier zu Bewegungen kam.
Die Germanen gingen aus verschiedenen indogermanischen Volksstämmen hervor, die in der Bronze,- und Eisenzeit nach Westeuropa eingewandert waren. Auch bei den Indogermanen handelte es sich nicht um eine abgrenzbare Ethnie oder Kultur. Sie verband die indogermanische Ursprache, weshalb es sich hierbei ausschließlich um eine linguistische Kategorisierung handelt. Die gemeinsame Herkunft wird heute von Linguisten immer noch diskutiert. Die mehrheitlich favorisierte Hypothese glaubt den Ursprungsort nördlich und nordöstlich des Schwarzen Meers. Also im Gebiet der heutigen Ukraine und Russlands. Es gibt Hinweise darauf, dass es sich um patriarchal strukturierte Halbnomaden gehandelt haben, die im Inland fernab vom Meer wohnten.
Erste Anzeichen einer Identitätsbildung
Die Heterogenität und die fehlende Eigenidentität lässt die moderne Ethnogenese zu dem Schluss kommen, dass sich eine deutsche Identität erst später herausbildete. Der langsame Zerfall des römischen Großreiches endete mit der europäischen Völkerwanderung, die 375 nach Christus begann und an der vornehmlich germanische Stämme beteiligt waren. Da es aus dieser Zeit kaum schriftliche Aufzeichnungen gibt, ist nur sehr wenig bekannt über das Leben der Menschen während dieser territorialen und zivilisatorischen Neuordnung. Auch die Zeit von den Karolingern mit Karl dem Großen als Kaiser kann nicht als Anfang der deutschen Geschichte verstanden werden. Zwar konnten sich die Bayern, Sachsen, Alemannen und Franken einigermaßen gut untereinander verständigen, wenngleich ihre Sprache noch stark voneinander abwich, ein Wir-Gefühl bestand zwischen den verschiedenen Volksgruppen allerdings nicht.
Der Begriff des Königreichs der Deutschen taucht erstmals im 11. Jahrhundert auf. Man muss jedoch anmerken, dass es sich dabei um eine Bezeichnung Außenstehender handelt. Da die Kaiserschaft immer an einen universellen und nicht an einen nationalen Herrschaftsanspruch geknüpft war, verstanden die Herrscher das deutsche Gebiet immer nur als einen Teil ihres Territoriums, neben Reichsitalien und Burgund beispielsweise. Getrieben von der Universalitätsidee und der Partikularität, also der Aufsplitterung in kleine Reiche, dauerte es mindestens bis zum 13. Jahrhundert, bis sich erstmals ein Gefühl der nationalen Zusammengehörigkeit herausbildete.
Eine akademische Auseinandersetzung mit der politischen Identität der Deutschen fand erst im 15. Jahrhundert durch Gelehrte wie Alexander von Roes statt.